Ein besonderes Stück Heimatkunde: der beeindruckende
ZDF-Zweiteiler Altes Land nach dem gleichnamigen Best-
sellerroman von Dörte Hansen, u. a. mit Iris Berben, Maria
Ehrich, Nina Kunzendorf, Karoline Eichhorn, Svenja Liesau,
Peter Kurth, Milan Peschel und Matthias Matschke
(DVD-VÖ: 11.12.2020; Pandastorm)
„Im Alten Land, am Elbdeich zwischen Obstbäumen und Fachwerkhäusern, ist es sehr
idyllisch. Man darf nur nicht den Fehler machen, auf dem Land die heile Welt zu suchen.
Die gibt es hier genauso wenig wie in der Stadt.“ (Dörte Hansen)
Das Alte Land zwischen Stade und Hamburg ist bekannt für seine Obstfelder und die
wunderschöne Landschaft entlang der Elbe. Die großen Fachwerkhöfe zeugen von
einflussreichen Familien, die über Jahrhunderte ihr Geld mit dem Anbau von Äpfeln,
Kirschen und anderen regionalen Früchten verdienten.
Von diesem malerischen Fleckchen Erde und ihren eigentümlichen Bewohnern berichtet
die 1964 in Husum geborene Autorin Dörte Hansen in ihrem Erstlingswerk Altes Land.
Die über sieben Jahrzehnte, auf mehreren, ineinander verwobenen Zeitebenen erzählte
Geschichte von drei Frauen und drei Generationen war DER Überraschungserfolg des
Jahres 2015, wurde zum „Lieblingsbuch des unabhängigen Buchhandels“ gekürt und
avancierte darüber hinaus zum Jahresbestseller 2015 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Bis
heute hat sich der Roman bereits über eine Million Mal verkauft.
Nun veröffentlicht Pandastorm am 11. Dezember 2020 die DVD der aufwändigen TV-
Verfilmung Altes Land, die als Zweiteiler am 15. + 16. November 2020 um 20.15 Uhr im
ZDF ausgestrahlt wird.
Schauplatz der unkonventionellen, tragischen, aber auch humorvollen Erzählung ist ein
großer Hof im Alten Land. Hier lebt die eigenwillige Vera (Iris Berben), seit sie dort 1945
als 5-jähriges Flüchtlingskind aus Ostpreußen zusammen mit ihrer Mutter gestrandet
war. Es brauchte sehr lange, bis sie diesen Landstrich als ihre Heimat ansah und noch
länger, bis auch die Menschen sie als einen Teil der Gemeinschaft aufnahmen. Zwar fühlt
sich Vera ein Leben lang fremd in dem kalten Bauernhaus, will aber dennoch nicht weg.
Sie verteidigt nicht nur vehement Hof und Land, sondern auch ihre Eigenheiten und ihren
Widerwillen bezüglich jedweder Veränderungen. Lediglich mit ihrem direkten Nachbarn
Hinni (Peter Kurth) pflegt sie eine Art Umgang.
Auf der Beerdigung von Veras Ziehvater Karl (Milan Peschel) kommt es zu einem
Wiedersehen mit ihrer sehr viel jüngeren Halbschwester Marlene (Nina Kunzendorf), das
im Eklat endet („Alles, was du und ich gemeinsam haben, sind die braunen Haare“, so
Vera zu Marlene). Alte Wunden werden aufgerissen, und verbittert schließt sich Vera mit
ihren beiden Hunden in dem alten Gehöft ein, bis ihre Halbnichte Anne (Svenja Liesau)
und deren kleiner Sohn Leon vor der Tür stehen. Die beiden Frauen sind einander
zunächst fremd, jedoch haben das frühere „Polackenkind“ Vera und Stadtflüchtling Anne,
die von ihrem Mann betrogen wurde und das Leben im schicken Ottensen nicht mehr
erträgt, viel mehr gemeinsam, als sie zu diesem Zeitpunkt ahnen. Denn Vera kennt Annes
Nöte nur allzu gut – nirgendwo dazuzugehören, nicht angekommen zu sein, ein Zuhause
zu suchen und Wurzeln schlagen zu wollen. Und genau in dieser Konstellation wird das
Familientrauma, alles verloren zu haben, heilen können…
Altes Land ist eine bemerkenswerte Literaturverfilmung über das Deutschland unserer
Mütter und Großmütter, Menschen ohne Heimat, über Reiz und Widersinn der Sehnsucht
nach dem Landleben und das Trauma von Flucht und Vertreibung, das in vielen Familien
bis heute nachwirkt.
Das herausragende Schauspieler-Ensemble um die mehrfach ausgezeichneten Iris
Berben (deren zahlreiche Meriten hier den Rahmen sprengen würden), Maria Ehrich
(Rubinrot, Ku’damm ’59), Nina Kunzendorf (Tatort Frankfurt, Liebesjahre), Karoline
Eichhorn (Der Sandmann, Gegen Ende Der Nacht), Peter Kurth (Herbert, Babylon Berlin),
Milan Peschel (Tatort – Weil Sie Böse Sind, Preis Der Freiheit), Matthias Matschke (heute
Show, Professor T.) oder Shooting-Star Svenja Liesau ist bis in die kleinste Nebenrolle
hochkarätig besetzt und bietet durch ihr nuanciertes Spiel darstellerische
Glanzleistungen.
Iris Berben über Altes Land und ihre Rolle der Vera: „Dörte Hansen ist ungeheuer scharf
in ihrer Figurenzeichnung. Und sie schafft es, absolut klischeefrei die Städter und die
Leute auf dem Land zu beobachten und zu beschreiben. Mir hat diese Ironie so gefallen…
Regisseurin Sherry Hormann hat mir sehr viel Platz gelassen, das nicht Gesagte in den
Augen und der Haltung zu zeigen. Sie hat eine ganz große Fähigkeit, Frauenfiguren zu
erzählen.“
Gedreht wurde die anspruchsvolle Romanverfilmung im Alten Land, in Hamburg und
Umgebung und von Sherry Hormann, aus deren Feder auch das Drehbuch stammt,
detailgetreu und überzeugend in Szene gesetzt. Sherry Hormann: „Der Zweiteiler erzählt
keinen Plot im üblichen Sinn. Es ist dieser unsichtbare Rucksack, den wir mit uns tragen,
der über die Jahre voller und voller wird an Erlebtem, aus dem Erinnerungen werden. Die
wir uns manchmal trauen auszugraben, uns manchmal davor fürchten, sie gar vergessen
– und doch: Es braucht nur einen Anlass, bis die zur Seite geschobenen Bilder sich
innerlich auftürmen und eine Welle an Veränderung losschlagen (können). Manche
nennen das auch Leben.“
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